Die Qualität der Zusammenarbeit im Unternehmen hängt nicht allein von Kompetenzen und Prozessen ab – sondern ganz wesentlich vom konkreten menschlichen Umgang. Wie verhalten sich Teammitglieder im Konflikt? Wie gehen sie mit Herausforderungen, Frust oder Kritik um? Und: Wie gut gelingt es, trotz Belastung konstruktiv zu bleiben?
Die Forschung zeigt deutlich: Die Überwindung und Vermeidung von Negativität ist wichtig, damit Teams erfolgreich sein können. Und korrosive Energie kann nicht durch versuchte Positivität ausgehebelt werden. Denn beide haben weitgehend getrennte Dynamiken. Umgang mit Negativität ist ein eigenständiger Kompetenzbereich.
Der Weg in die Negativitäts-Spirale
John und Julie Gottman, aus der Beziehungsforschung bekannt, beschreiben fünf fortschreitende Eskalationsstufen in die Negativität. Die Muster, die sie entdeckt haben, kann man auch in den Beziehungen innerhalb von Teams und Organisationen beobachten. Je fortgeschrittener sie sind, umso destruktiver sind ihre Auswirkungen:
1. Verpasste Mikro-Momente von Zusammenhalt
Im Arbeitsalltag gibt es zahllose kleine Gelegenheiten zur Resonanz: eine Bitte um Rückmeldung, eine geteilte Idee im Meeting, ein kritischer Blick in stressigen Situationen. Werden diese „Schiebetür-Momente“ als Kontaktaufnahme nicht wahrgenommen oder abgewertet, entsteht Frust – oft still, aber wirkungsvoll.
2. Bedauerliche Zwischenfälle
Kleine Verletzungen oder Missverständnisse, die emotional nachwirken, ohne geklärt zu werden, setzen sich im Teamgedächtnis fest. Wenn z.B. Feedback zu Kränkung führt oder Engagement nicht gewürdigt wird, können solche Erlebnisse unbemerkt das Betriebsklima belasten.
3. Unerledigte Konflikte und Altlasten
Nicht verarbeitete Konflikte aus der Vergangenheit wirken wie Sand im Getriebe. Entscheidungen werden zäh, Misstrauen breitet sich aus, und Teammitglieder ziehen sich innerlich zurück. Besonders kritisch: Wenn alle mitkriegen, dass ein Kollege Kränkung oder Verletzung erlitten hat, und das nicht aufgelöst wird, leidet das ganze Teamklima.
4. Zynismus und negative Umdeutung
Im fortgeschrittenen Stadium kippt die Perspektive und alles wird negativ übermalt: Selbst positive Ereignisse oder Bemühungen werden abgewertet („Das machen sie doch nur fürs Protokoll“). Auf dieser Stufe ist nicht nur die direkte Zusammenarbeit gefährdet, sondern auch Motivation und Innovation.
5. Die „apokalyptischen Reiter“ im Teamalltag
Wenn Kritisieren, Rechtfertigen, Verachtung oder Mauern zum Standard werden - eines davon reicht schon - ist das Vertrauen tief erschüttert. Auf dieser Stufe ist Entwicklung blockiert, die psychische Belastung im Team ist enorm, und innere und/oder äußere Kündigung steht kurz bevor.
Als Teamleiter können Sie viel beitragen, indem Sie die Mikromomente bestmöglich pflegen und bedauerliche Zwischenfälle möglichst schnell bereinigen. Ab Stufe 3 braucht es spezifische Kompetenz und zielgerichtete Intervention. Sonst gibt es einen Sog weiter ins Negative.
Warum Vertrauen wichtiger ist als „positives Denken“
Führungskräfte denken oft, es käme darauf an, den Fokus auf das Positive zu halten, damit das Negative keinen Raum kriegt. Das trifft leider nicht zu. Eine Metaanalyse von Scheier et al. (2021) zeigt: Abbau von Negativität wirkt sich positiver aus als die Förderung von Optimismus. Das bedeutet: Teams brauchen keine „Happy Culture“, sondern echte Anti-Negativitäts-Kompetenz – also einen menschlich konstruktiven Umgang mit Kritik, Unsicherheit, Angst und Frustration. Dadurch wächst tiefgehendes Vertrauen.
Negative Gedanken und Bewertungen sind häufige Begleiter von Unsicherheit und Stress. Zum Beispiel:
- Kritisieren
- Sorgen und Grübeleien
- Zynismus gegenüber Kolleg:innen oder Führung
- Schuldzuweisungen
- katastrophisierende „Worst-Case“-Szenarien
Diese Muster sind nicht Ausdruck persönlicher Schwäche, sondern hilflose Versuche, durch Interpretation Kontrolle zurückzugewinnen. Doch sie bewirken das Gegenteil: Misstrauen wächst, Verantwortung wird abgeschoben, die Zusammenarbeit leidet.
Die Trennung von einzelnen "negativ gestimmten" Mitarbeitern scheint vielen Führungskräften eine naheliegende Maßnahme, die aber Risiken birgt. Sofern diese Mitarbeiter das aussprechen, was andere sich nicht sagen trauen, bestätigt nämlich ihre Entlassung, dass man hier nicht offen reden kann. So kann Unsicherheit im Team langfristig zementiert werden.
Der Schlüssel: psychologische Sicherheit
Die Forschung zur Psychological Safety (Amy Edmondson, Harvard) zeigt, wie wichtig es ist, dass Teammitglieder sich sicher fühlen, ihre Meinung zu sagen, Fehler zuzugeben und ihre Perspektiven einzubringen – ohne Angst vor negativen Konsequenzen.
Das gelingt nicht durch Appelle, da diese eher wieder als Kritik wahrgenommen werden. Nötig ist ein ehrlicher, sicherer Kontakt, in dem keine Lücke für eskalierende Interpretationen bleibt. Diesen sicheren Kontakt herzustellen und authentisch vorzuleben ist die Aufgabe der Führungskräfte. Sie brauchen dafür gelebte Beziehungskompetenz.
Ein zentraler Ansatzpunkt ist eine bedürfnisorientierte Kommunikation, wie sie z. B. die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) aus der Humanistischen Psychologie bietet. Sie hilft, Konflikte zu deeskalieren, stimmig mit angenehmen wie unangenehmen Emotionen umzugehen und gemeinsame Lösungen zu finden.
Was Unternehmen konkret tun können:
- Führungskräfte als Kulturstifter qualifizieren – im Umgang mit Kritik, Spannungen und psychologischer Sicherheit
- Kränkungsfreie Teamdialoge gezielt stärken, z. B. durch Moderation, Coaching oder GFK-basierte Teamformate
- Verletzungen und Altlasten bereinigen – statt sie unter den Teppich zu kehren
- Negative Interpretationen ohne Vorwurf sichtbar machen – und Kompetenz für sichere Orientierung durch offenes Ansprechen vermitteln, z. B. durch reflektierende Workshops
- Positive Rituale etablieren – für Wertschätzung, Feedback und gemeinsame Erfolge
Fazit:
Eine gesunde Teamkultur entsteht nicht durch aufgesetzte Positivität – sondern durch den mutigen Umgang mit unangenehmen Gefühlen. Wer lernt, Missverständnisse, Unsicherheiten und Frust der Mitarbeiter offen anzusprechen und in sichere Verbindung umzuwandeln, baut starkes Vertrauen auf – und damit das Fundament für großartige Leistung und echte Menschlichkeit im Unternehmen.
Für den Umgang mit fortgeschrittener Negativität braucht es fachkundige Intervention. Sobald im Team alte Verletzungen nachwirken, kann es helfen, Experten zu Rate zu ziehen. Auf jeden Fall ist Fachkompetenz nötig, wenn Kritisieren, Rechtfertigen, Verachtung oder Mauern täglich den Umgang prägen.
Ist der Umgang mit Negativität ein Thema für Sie? Wir helfen Ihnen gerne.
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